Der Fall Antifa – Ost und der §129

Wie der Staat ver­sucht ein Exem­pel zu sta­tu­ie­ren und Lin­ke zu kri­mi­na­li­sie­ren

Am Mitt­woch wur­de im Fall Lina E. und den Mit­an­ge­klag­ten im Anti­fa-Ost Ver­fah­ren das Urteil ver­kün­det. Das Ver­fah­ren, das fast hun­dert Ver­hand­lungs­ta­ge umfasst, stellt eins der här­tes­ten Urtei­le gegen Lin­ke seit Jah­ren dar. Schon, wie das Ver­fah­ren geführt wur­de, zeigt, dass es dem Staat nicht um eine neu­tra­le Auf­klä­rung der Anschul­di­gun­gen ging. Viel­mehr soll­te ein poli­ti­sches Urteil gefällt wer­den, dass auch in Zukunft die Hemm­schwel­le senkt, juris­tisch gegen lin­ke Aktivist*innen und Grup­pie­run­gen vor­zu­ge­hen. 

 Im Zwei­fel gegen die Ange­klag­ten 

Das Ober­lan­des­ge­richt Dres­den ver­ur­teil­te Lina E. zu fünf Jah­ren und drei Mona­ten Haft, sowie drei wei­te­re Mit­an­ge­klag­te zu kür­ze­ren Haft­stra­fen. Kurz nach der Urteils­ver­kün­dung setz­te der Rich­ter jedoch den Haft­be­fehl gegen Auf­la­gen außer Voll­zug. Somit ist Lina E. erst­mal frei, wenn auch unter stren­gen Vor­la­gen. Das Straf­maß stellt in meh­re­rer Hin­sicht den­noch einen Skan­dal dar. Die Ver­ur­tei­lung beruht auf kei­ner­lei Bewei­sen. Die Bun­des­staats­an­walt­schaft stützt sich vor allem auf Aus­sa­gen von Neo­na­zis der Grup­pe „Knock­out 51“ sowie einem frü­he­ren Bekann­ten von Lina E.,  der wegen Kör­per­ver­let­zun­gen ange­klagt wur­de und gegen den Ver­ge­wal­ti­gungs­vor­wür­fe erho­ben wurden.Laut eige­ner Aus­sa­ge hat er für sei­ne Aus­sa­ge kei­ner­lei Gegen­leis­tun­gen bekom­men. Fakt ist jedoch, dass im März letz­ten Jah­res das Sexu­al­straf­ver­fah­ren gegen ihn fal­len gelas­sen wur­de. Ob bei­des in einem Zusam­men­hang steht, ist für uns schwer zu beur­tei­len. Gegen die Neo­na­zis, die aus­ge­sagt haben, wur­de kurz nach ihrer Aus­sa­ge eben­falls ein Ver­fah­ren eröff­net. Dar­über hin­aus stütz­te sich die SoKo Linx in der Ermitt­lung gegen Lina E. auf ein Dos­sier, das von den Neo­na­zis um die Grup­pe „Knock­out 51“ über Lin­ke erstellt wur­de. Wie glaub­wür­dig sol­che Ermitt­lun­gen sein kön­nen, wur­de im Gericht nicht beant­wor­tet.

Der ande­re Punkt, der das Ver­fah­ren zu einem Skan­dal macht, ist die Art und Wei­se, wie das Ver­fah­ren ver­han­delt wur­de. Dass das Ver­fah­ren über­haupt vor einem Ober­lan­des­ge­richt geführt wur­de, statt vor einem Land­ge­richt liegt dar­an, dass laut Staats­an­walt­schaft der Ver­dacht auf eine kri­mi­nel­le Ver­ei­ni­gung (§129 StGB) vor­lie­ge. Ursprüng­lich wur­de §129 ein­ge­führt, um gegen Ban­den­kri­mi­na­li­tät vor­zu­ge­hen. Nun wird er genutzt, um gegen Lin­ke vor­zu­ge­hen. Dabei benö­tigt die Staats­an­walt­schaft kei­ner­lei kon­kre­te Bewei­se, die bele­gen, dass eine Grup­pe gebil­det wur­de. Im Fall Lina E. gab es kei­ne Hin­wei­se auf einen Grup­pen­chat, Grup­pen­na­men oder Ähn­li­ches. Viel­mehr ermög­lich­te der rei­ne Ver­dacht, Lina E. und ihre Mit­an­ge­klag­ten mona­te­lang abzu­hö­ren und abge­hör­te Gesprä­che vor Gericht als Beweis­mit­tel zu ver­wen­den. 

Der Staat hat ein Bei­spiel gesetzt 

Durch das Urteil hat der Staat einen wei­te­ren Prä­ze­denz­fall geschaf­fen, auf den sich künf­ti­ge Ver­fah­ren bezie­hen kön­nen. Aus­sa­gen, wie zuletzt von Nan­cy Fae­ser „nun stär­ker gegen Lin­ke durch­grei­fen”, deu­ten dar­auf hin, dass dies auch getan wer­den wird. Die Auf­wei­chung der Aus­le­gung des §129 bedeu­tet aber auch, dass in Zukunft immer fle­xi­bler mit dem Para­gra­phen umge­gan­gen wird. Schon jetzt wird ver­sucht, die „Letz­te Gene­ra­ti­on“ wegen Ein­grif­fen in den Stra­ßen­ver­kehr zu ver­ur­tei­len. Es ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass in Zukunft ähn­li­che Urtei­le gegen wil­de Streiks, Beset­zun­gen von Betrie­ben oder ande­re Aktio­nen des Wider­stands gefällt wer­den. Die Hemm­schwel­le dazu wur­de jeden­falls gesenkt. 

Soli­da­ri­tät! 

Wir, als Jugend für Sozia­lis­mus stel­len uns soli­da­risch hin­ter Lina E., die Letz­te Gene­ra­ti­on und allen ande­ren lin­ken Aktivist*innen, die Repres­sio­nen vom Staat erfah­ren. Sich gegen Nazis zur Wehr zu set­zen oder die Stö­rung des Ver­kehrs als Pro­test gegen Kli­ma­zer­stö­rung soll­te nicht kri­mi­na­li­siert wer­den. 

Gleich­zei­tig sind wir der Mei­nung, dass indi­vi­du­el­le Über­fäl­le auf Faschis­ten, sowie das blo­ckie­ren von Stra­ßen kei­ne effek­ti­ve Stra­te­gien im Kampf gegen Rechts oder für mehr Kli­ma­schutz sind. Viel­mehr lösen die Aktio­nen der Letz­ten Gene­ra­ti­on eine nach­voll­zieh­ba­re Wut in Tei­len der Bevöl­ke­rung aus. Der Staat kann die­se Wut nut­zen, um Ver­fah­ren gegen Lin­ke leich­ter zu begrün­den. Wir den­ken, dass Stra­te­gien ent­wi­ckelt wer­den müs­sen, die auf eine mög­lichst brei­te Mobi­li­sie­rung inner­halb der Arbeiter*innenklasse beru­hen, umso auch mas­sen­haft Unter­stüt­zung zu gewin­nen. Das Vor­ge­hen des Staa­tes zeigt, dass jeg­li­cher lin­ker Akti­vis­mus mög­lichst brei­te Unter­stüt­zung in der Bevöl­ke­rung braucht. Brei­te Soli­da­ri­tät in der Bevöl­ke­rung ist der effek­tivs­te Schutz gegen Repres­sio­nen des Staa­tes und gewalt­be­rei­te Faschist*innen. Gera­de in Kri­sen­zei­ten, wie gera­de jetzt, wird der  bür­ger­li­che Staat immer wie­der gegen legi­ti­men Pro­test vor­ge­hen. Wir müs­sen uns des­halb orga­ni­sie­ren und zusam­men­schlie­ßen, um uns gegen alle Angrif­fe zu ver­tei­di­gen und eine sozia­lis­ti­sche Alter­na­ti­ve zu die­sem Sys­tem vor­an­zu­brin­gen. Wer­de des­halb aktiv und orga­ni­sie­re dich bei Jugend für Sozia­lis­mus!