50 Jahre seit der Nelkenrevolution in Portugal

Als der Sozia­lis­mus zum Grei­fen nah war…

Bild­quel­le: https://www.flickr.com/photos/hemerotecadigital/22302924348

Heu­te vor 50 Jah­ren brach­te die Nel­ken­re­vo­lu­ti­on das Sala­zar/­Caet­a­no-Regime zu Fall. In unse­ren Schu­len und Unis ler­nen wir wenig über das, was vor 50 Jah­ren in Por­tu­gal geschah, dabei stell­te die Revo­lu­ti­on eine Chan­ce für eine erfolg­rei­che sozia­lis­ti­sche Umge­stal­tung der Gesell­schaft dar. Die Nel­ken­re­vo­lu­ti­on stellt jedoch auch vie­les in Fra­ge, was uns sonst so im Unter­richt bei­gebracht wird, wie etwa, dass die NATO die Men­schen­rech­te ver­tei­digt. Umso wich­ti­ger, dass wir uns mit der Nel­ken­re­vo­lu­ti­on beschäf­ti­gen. Im fol­gen­den Text wol­len wir eine kur­ze Dar­stel­lung der Revo­lu­ti­on geben und was aus unse­rer Sicht die wich­tigs­ten Leh­ren sind.

Por­tu­gal vor der Revo­lu­ti­on

Sala­zar und ab 1968 sein Nach­fol­ger Caet­a­no regier­ten über Por­tu­gal seit 1932 und unter­drück­ten jeg­li­che Oppo­si­ti­on mit gren­zen­lo­ser Grau­sam­keit. Zuerst erhiel­ten sie Unter­stüt­zung von den Nazis, die SS- und Gesta­po-Aus­bil­der stell­ten, um beim Auf­bau der Geheim­po­li­zei PIDE und von Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern zu hel­fen. Ab 1949 wur­de Por­tu­gal zum NATO-Mit­glied. Die Füh­run­gen der west­li­chen Alli­ier­ten schau­ten dabei ger­ne über die zahl­rei­chen Ver­bre­chen des Regimes hin­weg, solan­ge sie einen Ver­bün­de­ten im Kampf gegen den Ost­block hat­ten. Und die­se Ver­bre­chen waren schwer zu über­se­hen. Immer wie­der ver­schwan­den Arbeiter*innen und Jugend­li­che, die Streiks orga­ni­sier­ten oder Kund­ge­bung gegen das Regime. Zeit­gleich wur­de die Bevöl­ke­rung gezielt in Armut und Rück­stän­dig­keit gehal­ten. Die Grund­schu­le dau­er­te nur vier Jah­re, was zur Fol­ge hat­te, dass über ein Drit­tel der Bevöl­ke­rung Analpha­be­ten waren.

Das Regime kommt ins tau­meln

In den 1970ern kam das Regime zuneh­mend unter Druck. In den por­tu­gie­si­schen Kolo­nien gewan­nen natio­na­le Befrei­ungs­be­we­gun­gen immer mehr an Zulauf und ver­strick­ten die Besat­zungs­macht in einem zuneh­mend kost­spie­li­gen Krieg. Gegen Ende der Dik­ta­tur ver­schlang das Mili­tär­bud­get über die Hälf­te des gesam­ten jähr­li­chen Haus­halts. Zeit­gleich ent­wi­ckel­te sich in Por­tu­gal selbst eine immer stär­ker wer­den­de Oppo­si­ti­on, die vor allem von der por­tu­gie­si­schen kom­mu­nis­ti­schen Par­tei ange­führt wur­de, wel­che zu der Zeit stark vom Sta­li­nis­mus beein­flusst war. Es kam immer häu­fi­ger zu ille­ga­len Streiks, die sich rasch aus­brei­te­ten. An den Uni­ver­si­tä­ten orga­ni­sier­ten sich Student*innen und führ­ten Demons­tra­tio­nen durch, die jedoch bru­tal unter­drückt wur­den. Aber auch in den unte­ren Rän­gen des Mili­tärs wuchs die Unzu­frie­den­heit über aus­sichts­lo­sen Krieg und die sich immer wei­ter ver­schlech­tern­den Lebens­ver­hält­nis­se. Vor allem jun­ge Offi­zie­re wur­den dabei in den Kolo­nien von den mar­xis­tisch gepräg­ten Ideen der natio­na­len Befrei­ungs­be­we­gun­gen beein­flusst.

Das Kapi­tal und die füh­ren­den Schich­ten des Mili­tärs sahen die­se Ent­wick­lung zuneh­mend mit Unbe­ha­gen. In ihren Augen wuchs die Gefahr einer Revo­lu­ti­on von unten, die außer Kon­trol­le gera­ten könn­te und sie alle­samt von der Macht ent­fer­nen könn­te, eine nicht ganz unbe­grün­de­te Angst.

MFA

1973 kam es dann zur Grün­dung der Movi­men­to das For­ças Arma­das (MFA — zu deutsch Bewe­gung der Streit­kräf­te). Eine sehr hete­ro­ge­ne Ver­ei­ni­gung von Offi­zie­ren, die anfin­gen, einen Putsch gegen das alte Regime zu pla­nen. Auf­grund ihrer Zusam­men­set­zung ver­füg­te die MFA über kein ein­heit­li­ches und weit­ge­hen­des Akti­ons­pro­gramm für die Lage nach der Revo­lu­ti­on. Statt­des­sen such­te die MFA Unter­stüt­zung in den höhe­ren Rän­gen des Mili­tärs und ließ sich auf weit­ge­hen­de Kom­pro­mis­se in Bezug auf ihre For­de­run­gen ein.

Das Zei­chen zum Auf­stand

Am 25. April gab schließ­lich das ver­bo­te­ne Rebel­len­lied “Grân­do­la, Vila More­na” das Zei­chen zum Auf­stand. Die zen­tra­len Gebäu­de und Kaser­nen wur­den durch MFA Trup­pen besetzt und das Regime fiel an einem Tag in sich zusam­men. Nur Caet­a­no ver­schanz­te sich in der Kaser­ne der Poli­zei­streit­kräf­te. Er wur­de spä­ter unter Schutz der MFA hin­aus­ge­lei­tet, vor­her mach­te er aber noch zur Bedin­gung, dass der Gene­ral Spi­no­la die Macht über­neh­men soll­te, damit “die Macht nicht dem Pöbel zufällt”. Die MFA ließ sich auf den Han­del ein.

Revo­lu­ti­on und Kon­ter­re­vo­lu­ti­on

Auf den 25. April 1974 folg­te ein Jahr vol­ler Revo­lu­ti­on und Kon­ter­re­vo­lu­ti­on. Spi­no­la, auch bekannt als der „Gene­ral mit dem Mon­okel“, orga­ni­sier­te zwei Putsch­ver­su­che in einem ver­zwei­fel­ten Ver­such, wie­der Herr der Lage zu wer­den und die Mas­sen davon abzu­hal­ten, die kapi­ta­lis­ti­sche Ord­nung in Gefahr zu brin­gen. Die Mas­sen von Arbeiter*innen, Sol­da­ten und Bau­ern wehr­ten die Putsch­ver­su­che erfolg­reich ab und ori­en­tier­ten sich zuneh­mend an sozia­lis­ti­schen Ideen. Die MFA sprach im Früh­ling 1975 offi­zi­ell davon, den Sozia­lis­mus in Por­tu­gal auf­zu­bau­en. In zahl­rei­chen Betrie­ben orga­ni­sier­ten Arbeiter*innen Arbeiter*innenkommissionen, die die Lei­tung der Betrie­be über­nah­men. Es gab eine Rei­he von gro­ßen Ver­staat­li­chungs­wel­len, bei denen Groß­be­trie­be ent­eig­net wur­den. Auf dem Land orga­ni­sier­ten sich Landarbeiter*innen und ver­teil­ten das Land der Groß­grund­be­sit­zer unter sich auf.

PCP und PSP: Brem­sen der Revo­lu­ti­on

Doch wäh­rend die Mas­sen immer wei­ter vor­an­schrit­ten und wei­te Tei­le des Mili­tärs sich mit­rei­ßen lie­ßen brems­te die PCP (kom­mu­nis­ti­sche Par­tei Por­tu­gals) und die PSP (Sozia­lis­ti­sche Par­tei Por­tu­gals) die Revo­lu­ti­on bei jeder Gele­gen­heit. Die PCP erklär­te die Selbst­or­ga­ni­sie­rung von Arbeiter*innen und Bäuer*innen in Räten zu “Aben­teu­rer­tum, die objek­tiv der Kon­ter­re­vo­lu­ti­on die­nen”. Ihrer Mei­nung nach müs­se daher eine sta­bi­le kapi­ta­lis­ti­sche Demo­kra­tie errich­tet wer­den, bevor der Sozia­lis­mus erreicht wer­den kön­ne. Damit knüpf­te die PCP-Füh­rung direkt an die soge­nann­te ”Etap­pen­theo­rie” an. Objek­tiv gab es jedoch kei­nen Teil des Kapi­tals oder Bür­ger­tums, dass ein Inter­es­se an den unkla­ren Eigen­tums­ver­hält­nis­sen hat­te und sich selbst ent­eig­nen wür­de. Das Brem­sen der PCP führ­te viel­mehr dazu, dass die herr­schen­de Klas­se im Lau­fe des Jah­res 1975 die Macht wie­der an sich rei­ßen konn­te und vie­le Refor­men und Errun­gen­schaf­ten der Revo­lu­ti­on zurück­dräng­te.

Doch auch die PSP ver­riet die Revo­lu­ti­on bei jeder Gele­gen­heit und kämpf­te für den Erhalt des Kapi­ta­lis­mus in der Illu­si­on dann Refor­men im Inter­es­se der Arbeiter*innenklasse zu errei­chen. Dabei ging sie jedoch noch wei­ter als die PCP und hielt engen Kon­takt zu den Regie­run­gen des west­li­chen Impe­ria­lis­mus, ins­be­son­de­re der BRD und den USA.

Die PCP und die PSP orga­ni­sier­ten jedoch gro­ße Tei­le der Arbeiter*innenklasse. Was fehl­te war eine revo­lu­tio­nä­re Kraft, die in der Lage war, die Mas­sen dazu zu brin­gen mit ihrer refor­mis­ti­schen Füh­run­gen zu bre­chen und die ent­schei­den­den Schrit­te zu gehen, um den Kapi­ta­lis­mus end­gül­tig zu über­win­den. Ähn­lich wie die Bol­sche­wi­ki erst mit den Men­sche­wi­ki um eine Mehr­heit in der Arbeiter*innenklasse kämp­fen muss­ten. Die Bedin­gun­gen dafür wären gege­ben. Eine sol­che revo­lu­tio­nä­re Par­tei, hät­te dafür gekämpft die öko­no­mi­sche und poli­ti­sche Ent­schei­dungs­ge­walt den zahl­rei­chen Räten in den Betrie­ben und auf dem Land zu über­ge­ben, statt sich an Regie­run­gen mit bür­ger­li­chen und offen kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­ren Par­tei­en zu betei­li­gen, wie es die PCP und die PSP taten.

Leh­ren zie­hen

Dass vor 50 Jah­ren in Por­tu­gal die Chan­ce auf eine erfolg­rei­che Revo­lu­ti­on ver­tan wur­de, obwohl die Bedin­gun­gen so güns­tig waren, soll­te uns Anlass bie­ten, die Geschich­te genau zu stu­die­ren und die wich­tigs­ten Leh­ren zu zie­hen. Eine davon ist defi­ni­tiv, dass der Auf­bau von star­ken sozia­lis­ti­schen Kräf­ten mit tie­fen Wur­zeln inner­halb der Arbeiter*innenklasse, die ein kon­se­quen­tes revo­lu­tio­nä­res Pro­gramm ver­tre­ten unab­ding­bar ist. Hier­für wol­len wir in Deutsch­land mit Jugend für Sozia­lis­mus eine Bei­trag leis­ten, wenn du also auch für eine sozia­lis­ti­sche Zukunft kämp­fen willst, orga­ni­sier dich bei uns!

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