Zeit für Widerstand – Zeit für Sozialismus
Gemeinsame Abschlussresolution der „Zeit für Sozialismus“-Konferenz
Vom 23.–25. Mai haben wir uns unter dem Motto “Zeit für Sozialismus” getroffen, denn für uns ist klar: Der Kapitalismus steckt in einer historischen Krise. Sinkende Profite für die Kapitalist*innen verschärfen die grundlegenden Widersprüche zwischen Arbeiter*innenklasse und Kapital. Um im globalen Konkurrenzkampf zu bestehen, greifen Staat und Kapital zu immer drastischeren Mitteln.
Die neue Merz-Regierung steht exemplarisch für die Zuspitzung der Klassengegensätze. In ihr haben Unternehmer*innen und Manager*innen direkte Ministerposten erhalten. Ihr Ziel: Die Profitbedingungen für Großkonzerne und Banken zu verbessern – auf Kosten der Arbeiter*innen. Durch Angriffe auf Arbeitszeitregelungen, die Abschaffung des Bürgergelds und massive Kürzungen bei Sozialausgaben soll die Last der Krise auf uns abgewälzt werden. Besonders wir als Jugend werden die Folgen zu spüren bekommen: Unsere Schulen und Unis verfallen jetzt schon – drohende Kürzungen verschärfen den Investitionsstau. Auch das angekündigte Sondervermögen von 500 Milliarden wird dieses Problem nicht lösen. Es deutet vieles darauf hin, dass das Geld nur im Sinne der Unternehmen und der Bundeswehr investiert wird, während die Arbeiter*innenklasse und Jugend leer ausgeht. Hiergegen müssen wir jetzt schon Widerstand vorbereiten.
Gewerkschaften: Raus aus der Sozialpartnerschaft!
Bei der Organisierung von Widerstand spielen die Gewerkschaften eine Schlüsselrolle. Millionen Beschäftigte sind im DGB organisiert – ein riesiges Potenzial für eine erfolgreiche Gegenwehr gegen Merz und Co. Deswegen fordern wir auch Jugendliche auf, sich gewerkschaftlich zu organisieren und sich für ihre Rechte einzusetzen. Doch die DGB-Spitze lobt den Koalitionsvertrag und sichert der SPD den Rücken. Wir fordern stattdessen eine kämpferische Ausrichtung der Gewerkschaften und das Ende der Sozialpartnerschaft und setzen uns da wo wir können dafür ein. Gewerkschaften müssen wieder zu Organisationen des Klassenkampfes werden.
Internationale Krise – imperialistische Kriege
Diese Krise zeigt sich nicht nur innerhalb von der Nationalstaaten, sondern auch auf globaler Ebene: Konflikte um Ressourcen, Absatzmärkte und geopolitischen Einfluss nehmen zu – und eskalieren immer häufiger in militärischen Auseinandersetzungen und Kriegen. Laut der NGO ACLED1 ist die politische Gewalt weltweit allein 2024 um 25 Prozent gestiegen. Jeder achte Mensch war von Konflikten betroffen.
In der Ukraine werden auch nach drei Kriegsjahren immer noch ukrainische und russische Zivilist*innen und Arbeiter*innen in Uniform für die Interessen der Herrschenden in Russland und im Westen geopfert. Auch zwischen Pakistan und Indien droht ein neuer Krieg auszubrechen, und im Kongo kämpft weiterhin eine Vielzahl von Milizen und Staaten um Ressourcen und Einfluss. Im Sudan und im Jemen wüten blutige Kriege, die jetzt schon tausende Tote verlangt haben. Hinzu kommen Hungersnöte, von denen laut dem Guardian 300 Millionen Menschen weltweit akut bedroht sind.
Das Vorgehen der israelischen Regierung gegen die Bevölkerung im Gazastreifen führt zu Recht zu massenhafter Empörung unter Jugendlichen und Arbeiter*innen. Die Situation vor Ort ist zu einem realen Albtraum geworden, bei dem die genozidale Kriegsführung der israelischen Regierung immer offener zu Tage tritt. Dennoch stellen sich westliche Staaten – auch Deutschland – weiterhin hinter das in Teilen rechtsradikale israelische Regime, das als Vorposten westlicher Interessen im Nahen Osten fungiert. Wir verteidigen das Recht der Palästinenser*innen auf Selbstbestimmung. Um den Krieg, den Staatsterror, die Angst, das Leid und die Spirale der Gewalt zu beenden, ist ein sozialistisches Programm nötig. Weder die Hamas, noch die israelische Regierung wird in der Lage sein, einen langfristigen Frieden zu sichern. Nur eine Massenbewegung der Arbeiter*innenklasse und Jugend in Israel und Palästina gegen Krieg und Besatzung kann die jetzt stattfindende Gewalt beenden. Wir fordern daher das unmittelbare Ende der Kampfhandlungen, die Freiheit für alle Gefangenen auf beiden Seiten, das Ende des israelischen Staatsterrorismus, die Freiheit für die besetzten Gebiete, das Ende der israelischen Siedlungen und Vertreibung der Palästinenser*innen, eine sozialistische Intifada in Gaza und dem Westjordanland nach dem Vorbild der ersten Intifada und den Aufbau unabhängiger Arbeiter*innenparteien in Palästina und Israel und Verbindungen zwischen ihnen. Unter Kapitalismus und Imperialismus wird es keinen Frieden & keine Befreiung geben. Nur ein sozialistisches, selbstbestimmtes Palästina neben einem sozialistischen Israel kann in dieser Situation Sicherheit und Gleichheit für alle Menschen in der Region garantieren.
Gleichzeitig setzen wir uns in Deutschland für ein Ende der Waffenlieferungen ein, sowie gegen alle Repressionen gegen palästinasolidarische Proteste. Dazu haben unsere Mitglieder auch zusammen mit den lokalen Communities Proteste und Bündnisse organisiert.
Militarisierung & autoritäre Formierung
In Deutschland erleben wir eine massive Aufrüstung, begleitet von propagandistischer Militarisierung. Diese durchzieht mittlerweile alle Lebensbereiche – von politischen Debatten über Medien bis hinein in Schulen und Universitäten. Dabei wird der russische Einmarsch genutzt, um die Aufrüstung moralisch zu rechtfertigen. Wir lehnen Waffenlieferungen an die ukrainische und alle weiteren kapitalistischen Regierungen ab – ohne das autoritäre Regime Russlands zu unterstützen. Unsere Solidarität gilt den Arbeiter*innen und Armen auf beiden Seiten, die im Interesse der Eliten sterben müssen. Auch der geplanten Einführung eines Wehrdienstes nach schwedischem Vorbild stellen wir uns entgegen. Aufrüstung bedeutet keinen Schutz – sondern neue Kriege. Für diese Aufrüstung wird bei uns gespart und gekürzt. Nur bei den Bossen, insbesondere bei der Waffenindustrie, werden die Kassen klingeln.
Mit einer Militarisierung nach außen folgt auch eine Militarisierung nach innen. Wir haben vor allem seit dem 7. Oktober 2023 eine massive Polizeigewalt und zum Teil zunehmende autoritäre Staatsführung gesehen, insbesondere gegenüber palästinasolidarischen Protesten und Aktivist*innen – alles unter dem Deckmantel der „Bekämpfung des Antisemitismus“. Dabei ist klar, dass es der BRD hierbei nicht um den Schutz von Jüd*innen geht, sondern um die Verteidigung ihrer geopolitischen Interessen im inneren ihrer Staatsgrenzen. Dafür wird jegliche Kritik am israelischen Staat als antisemitisch erklärt. Diese Umdeutung des Begriffs steht einem Kampf gegen echten Antisemitismus nur im Weg.
Gleichzeitig wächst die gesellschaftliche Polarisierung. Rechte Parteien wie die AfD profitieren von wachsender sozialer Unzufriedenheit. Sie hetzen gezielt gegen Geflüchtete und Minderheiten und knüpfen dabei an rassistische Narrative an, wie sie auch von etablierten Parteien und Medien verbreitet werden. Neonazis fühlen sich dadurch gestärkt – was sich in einer wachsenden Zahl gewalttätiger Übergriffe widerspiegelt. Eine rein moralische Argumentation gegen rechts, wie es Teile von SPD und Grünen machen, wird die AfD nicht aufhalten, vielmehr muss die gesellschaftliche Grundlage für das Erstarken der AfD in den Fokus genommen werden: Die neoliberale Kürzungspolitik aller bürgerlichen Parteien in den letzten Jahrzehnten. Im Kampf gegen rechts stellen wir daher den gemeinsamen Kampf für soziale Verbesserungen aller Lohnabhängigen, unabhängig ihrer Herkunft, in den Vordergrund und grenzen uns zu der Politik der bürgerlichen Parteien ab.
Kampf gegen jede Form von Diskriminierung!
Von dem Erstarken der AfD und anderen rechten Gruppierungen bis hin zu bewaffneten Neonazigruppen, sind in erster Linie queere Menschen, Migrant*innen und Linke bedroht. Aber auch Sexismus im Allgemeinen erlebt in Teilen der Jugend als Teil des rechten Kulturkampfes ein Revival. Allein im vergangenen Jahr kam es zu 42.788 angezeigten rechten Straftaten, die Dunkelziffer liegt sicherlich weitaus höher. Gegen diesen Trend setzen wir uns zur Wehr. Dabei sehen wir den Kapitalismus als Wurzel jeglicher Diskriminierung und Ausbeutung an. Durch die Spaltung der Arbeiter*innenklasse profitiert in erster Linie die herrschende Klasse. Als Sozialist*innen sehen wir den gemeinsamen Kampf für soziale Verbesserungen als effektivsten Weg an, um rassistischer, sexistischer und queerfeindlicher Spaltung etwas entgegenzusetzen. Wir müssen an diesen Kämpfen teilnehmen und sozialistische Antworten hineintragen, aber auch innerhalb dieser Kämpfe für eine solidarische Kultur eintreten und von Diskriminierung betroffenen Personen ermöglichen, sich selbstbewusst einzubringen.
Doch die Existenz dieser Kämpfe zeigt: Polarisierung bedeutet nicht nur Rechtsruck. Auch wenn dieser parlamentarisch dominiert: Parallel erstarken weltweit gewerkschaftliche Kämpfe, Streiks, soziale Protestbewegungen – z. B. in Serbien, der Türkei, aber auch in Westeuropa. Auch antifaschistische Proteste erleben eine neue Dynamik. Linke Kräfte leben wieder auf – und das ist eine Chance.
Die Linke: Chance für eine sozialistische Klassenpartei
Der Aufschwung der Partei Die Linke im Vorfeld der Bundestagswahl gibt vielen Menschen, besonders Jugendlichen, neue Hoffnung. Dass sie wieder im Bundestag vertreten ist, ist ein positives Zeichen. Wir, Jugend für Sozialismus, haben in den letzten Jahren zur Wahl der Linken aufgerufen – viele von uns sind auch Partei-Mitglieder. Wir sehen in der Partei ein Potenzial für den Wiederaufbau einer kämpferischen Arbeiter*innenbewegung, die zentral ist für einen sozialistischen Wandel. Doch dieses Potenzial muss aktiv genutzt werden.
Dafür braucht es ein klares Bekenntnis: Die Linke darf sich nicht an den Kapitalismus anpassen – sie muss an seiner Überwindung arbeiten. Die Regierungsbeteiligungen in Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, die Hilfe für Merz, ihm den zweiten Wahlgang zum Kanzler noch am selben Tag gegönnt zu haben, öffentliche Distanzierungen und Ausschlüsse von palästinasolidarischen Aktivist*innen sowie das Einknicken bei der Bundesratsabstimmung zum neuen Rüstungspaket, zeigen, wohin ein Kurs der Anpassung führt. Vielmehr muss die Linke ihre Stellung im Bundestag als Bühne des Klassenkampfs nutzen und Proteste und Kämpfe auf der Straße mitorganisieren. Teile der Linken wollen die Arbeit der Partei zu sehr auf den Parlamentarismus beschränken, das lehnen wir ab.
Wir verhalten uns daher gegenüber der Linken solidarisch, aber kritisch. Wir setzen uns für eine klassenkämpferische Orientierung ein – gegen jede Verwässerung durch pro-kapitalistische Koalitionen. Unsere Aufgabe als Sozialist*innen ist nicht, das Bestehende zu verwalten, sondern es zu bekämpfen und durch eine sozialistische Gesellschaft zu ersetzen.
Sozialistische Jugendbewegung aufbauen!
Der neue Aufschwung der Linken wirkt sich auch auf den Jugendverband aus. 2023 haben wir „Jugend für Sozialismus“ gegründet — ohne zum Austritt aus linksjugend [‘solid] aufzurufen. Einige von uns sind weiterhin linksjugend [’solid]-Mitglieder oder arbeiten lokal aktiv im Jugendverband mit. Unsere Kritik war: Die endlosen Debatten mit sogenannten „Antideutschen“, der Karrierefokus mancher führenden Mitglieder, die undemokratische Diskussionskultur sowie die mehrfachen Versuche Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen Marxist*innen durchzubringen, die Inaktivität des Bundesverbandes, das Fehlen einer klaren Orientierung auf die Arbeiter*innenklasse sowie zum Teil verbreitete spaltende Identitätspolitk haben den Verband für viele Jugendliche damals unattraktiv gemacht. Einige dieser Kritiken sind zum Teil leider immer noch aktuell, wobei es lokale Unterschiede gibt.
Doch wir sehen Bewegung: Neue Mitglieder, neue Dynamiken, neue Chancen. Auch die Gründung der „Jungen Linken“ durch ehemalige Mitglieder der Grünen Jugend ist ein positiver Impuls. Deshalb beauftragen wir den neugewählten Sprecher*innenrat, Gespräche mit der linksjugend [’solid] und der Jungen Linken aufzunehmen – über gemeinsame Projekte, aber auch über bestehende Differenzen. Ziel ist es, gemeinsam eine sozialistische Jugendbewegung aufzubauen – kämpferisch, solidarisch und klar klassenorientiert.
Widerstand organisieren – jetzt!
Die Bedingungen für den Aufbau einer sozialistischen Bewegung verbessern sich – und der Kampf wird gleichzeitig dringlicher. Wir blicken stolz auf die letzten Monate zurück: In Dresden haben Genoss*innen die Initiative „Jugend gegen Kürzungen“ mitgegründet – ein Großteil der Kürzungen konnte nach monatelangen Protesten verhindert werden. Mittlerweile hat sich „Jugend gegen Kürzungen Dresden“ unserem Bundesverband angeschlossen. In Berlin haben wir eine lebendige Gruppe aufgebaut, die unzählige Aktionen durchgeführt hat, von kämpferischen Blöcken auf Demos über Sommerfeste, Bildungsveranstaltungen und vielem mehr. Auch in anderen Städten bauen wir Mitgliederstrukturen auf. Hervorzuheben ist hier auch die neue Gruppe in Rostock.
Daran wollen wir anknüpfen – gemeinsam wollen wir für ein Ende des Kapitalismus kämpfen. Wir wollen die großen Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratische Kontrolle und Verwaltung der Arbeiter*innenklasse bringen. So könnte die Grundlage gelegt werden, den immensen gesellschaftlichen Reichtum, welcher vorhanden ist, für das Wohl aller einzusetzen. Nur so, durch eine sozialistische Umwälzung der Gesellschaft, können auch die vielzähligen Krisen, vor denen wir stehen, langfristig gelöst werden. Die Parole “Sozialismus oder Barbarei” ist keine historische Floskel, sondern zur Notwendigkeit geworden. Wir sagen daher: Zeit für Sozialismus! Wir laden alle jungen Menschen, die genug haben von Krise, Krieg und Kapitalismus, ein. Schließt euch an. Werdet aktiv. Denn:
Eine sozialistische Zukunft ist möglich – aber nur, wenn wir sie gemeinsam erkämpfen!
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