Stellungnahme zum Statement des Bundessprecher*innenrates der linksjugend [’solid] zum Attentat in Washington, D.C.

Am ver­gan­ge­nen Frei­tag ver­öf­fent­lich­te der bun­des­wei­te Insta­gram-Account der links­ju­gend [’solid] eine Stel­lung­nah­me zum Anschlag in Washing­ton, D.C., bei dem Ende Mai zwei Mitarbeiter*innen der israe­li­schen Bot­schaft erschos­sen wur­den. Die­ser Post lös­te eine brei­te Debat­te in den Kom­men­ta­ren sowie inner­halb und außer­halb des Jugend­ver­bands aus. Meh­re­re Lan­des­ver­bän­de und Basis­grup­pen der links­ju­gend [’solid] posi­tio­nier­ten sich kri­tisch gegen­über der ver­öf­fent­lich­ten Dar­stel­lung – zu Recht, wie wir fin­den.

Anti­zio­nis­mus ist kein Anti­se­mi­tis­mus

Auch wir tei­len zen­tra­le Punk­te die­ser Kri­tik. Der Post sug­ge­riert, dass Anti­zio­nis­mus mit Anti­se­mi­tis­mus gleich­zu­set­zen sei, und warnt vor einer angeb­lich wach­sen­den Gefahr, die von paläs­ti­na­so­li­da­ri­schen Pro­tes­ten für jüdi­sche Men­schen aus­ge­he. Die­se Gleich­set­zung hal­ten wir für falsch und poli­tisch gefähr­lich. Viel­mehr bedeu­tet die­se Dar­stel­lung Was­ser auf den Müh­len der­je­ni­gen, die ver­su­chen paläs­ti­na­so­li­da­ri­sche Pro­tes­te zu dele­gi­ti­mie­ren, indem sie vor­ge­ben, Anti­se­mi­tis­mus bekämp­fen zu wol­len.

Wir stel­len klar: Wir ver­ur­tei­len Anti­se­mi­tis­mus. Doch wir sehen auch, dass in der gegen­wär­ti­gen Debat­te der Kampf gegen Anti­se­mi­tis­mus als Vor­wand genutzt wird, um lin­ke und inter­na­tio­na­lis­ti­sche Posi­tio­nen zu dele­gi­ti­mie­ren. Kri­tik an der Besat­zung und Ver­trei­bung der Palästinänser*innen durch die israe­li­schen Regie­rung wird pau­schal als anti­se­mi­tisch dif­fa­miert, wäh­rend rea­le Repres­sio­nen gegen paläs­ti­na­so­li­da­ri­sche Pro­tes­te – dar­un­ter Ver­samm­lungs­ver­bo­te, Poli­zei­ge­walt und Kri­mi­na­li­sie­run­gen – zuneh­men. Damit wird nicht nur die Mei­nungs­frei­heit ein­ge­schränkt, son­dern auch der fal­sche Ein­druck ver­mit­telt, die israe­li­sche Regie­rung wür­de die Inter­es­sen aller jüdi­schen Men­schen welt­weit ver­tre­ten. Die­ser Ein­druck wird von der israe­li­schen Regie­rung selbst immer wie­der kon­stru­iert. Dem wider­spre­chen wir ent­schie­den. Im Übri­gen geht in Deutsch­land die größ­te Gefahr für jüdi­sche Men­schen wei­ter­hin von Rech­ten und Neo­na­zis aus, die durch die soge­nann­te Migra­ti­ons­de­bat­te immer wei­ter ermu­tigt wer­den. 

Für eine sozia­lis­ti­sche Inti­fa­da und inter­na­tio­na­le Klas­sen­ein­heit!

Wir ver­tei­di­gen das Recht der Palästinenser*innen auf Selbst­be­stim­mung. Um den Krieg, den Staats­ter­ror, die Angst, das Leid und die Spi­ra­le der Gewalt zu been­den, ist aus unse­rer Sicht ein sozia­lis­ti­sches Pro­gramm nötig. Indi­vi­du­el­le Ter­ror­an­grif­fe wer­den nicht zu einem Ende der Unter­drü­ckung und Besat­zung füh­ren. Nur Mas­sen­be­we­gun­gen der Arbeiter*innenklasse und Jugend in Paläs­ti­na und Isra­el gegen Krieg und Besat­zung kön­nen die jetzt statt­fin­den­de Gewalt been­den. Wir for­dern daher das unmit­tel­ba­re Ende der Angrif­fe Isra­els und den Rück­zug der israe­li­schen Armee, die Frei­heit für alle Gefan­ge­nen auf bei­den Sei­ten, das Ende des israe­li­schen Staats­ter­ro­ris­mus, ein Ende der Besat­zung, einen sofor­ti­gen Stopp des Sied­lung­baus und der Ver­trei­bung der Palästinenser*innen.

Dazu ist aus unse­rer Sicht eine sozia­lis­ti­sche Inti­fa­da in Gaza und dem West­jor­dan­land nach dem Vor­bild der ers­ten Inti­fa­da nötig, sowie der Auf­bau unab­hän­gi­ger Arbeiter*innenparteien in Paläs­ti­na und Isra­el und Ver­bin­dun­gen zwi­schen ihnen. 

Schluss­end­lich ist die Wur­zel des Kon­flikts der Kapi­ta­lis­mus. Wir kämp­fen daher für ein sozia­lis­ti­sches, selbst­be­stimm­tes Paläs­ti­na neben einem sozia­lis­ti­schen Isra­el im Rah­men einer sozia­lis­ti­sche Föde­ra­ti­on des Nahen Osten, wodurch Sicher­heit und Gleich­heit für alle Men­schen in der Regi­on garan­tiert wer­den kann.

Hoff­nung für die Links­ju­gend [’solid]

Vie­le Mit­glie­der von Jugend für Sozia­lis­mus sind wei­ter­hin Mit­glie­der in der links­ju­gend [’solid]. Vie­le von uns haben sich jah­re­lang im Bun­des­ar­beits­kreis Revo­lu­tio­nä­re Lin­ke für eine kon­se­quent anti­im­pe­ria­lis­ti­sche, sozia­lis­ti­sche und klas­sen­kämp­fe­ri­sche Aus­rich­tung des Ver­bands ein­ge­setzt – häu­fig gegen Wider­stän­de, ins­be­son­de­re durch anti­deut­sche Kräf­te. Die­ser zer­mür­ben­de Kampf, wel­cher dazu führ­te, dass die wirk­lich rele­van­ten Auf­ga­ben eines sozia­lis­ti­schen Jugend­ver­ban­des nicht ange­gan­gen wur­den, war ein Grund, wes­halb vie­le von uns sich 2023 dazu ent­schie­den, Jugend für Sozia­lis­mus zu grün­den.

Unse­re gan­ze Grün­dungs­er­klä­rung könnt ihr [hier] nach­le­sen.

In den letz­ten Mona­ten beob­ach­ten wir jedoch, dass der Auf­schwung der Lin­ken auch zu einer Wie­der­be­le­bung des Jugend­ver­ban­des geführt hat. Ein merk­li­cher Zustrom neu­er Mit­glie­der und Akti­ver bringt fri­schen Wind in vie­le Glie­de­run­gen der links­ju­gend und hat in unse­rer Wahr­neh­mung inter­na­tio­na­lis­ti­sche und sozia­lis­ti­sche Posi­tio­nen gestärkt. Die­ser Auf­bruch ist ermu­ti­gend. Dies ist auch ein Grund, wes­halb wir auf unse­rer kürz­lich abge­hal­te­nen “Zeit für Sozialismus”-Konferenz beschlos­sen haben, Gesprä­che mit der links­ju­gend über mög­li­che For­men der Zusam­men­ar­beit zu füh­ren.

Gleich­zei­tig zeigt der frag­li­che Post für uns, dass anti­deut­sche Kräf­te wei­ter­hin einen Ein­fluss inner­halb des Jugend­ver­ban­des aus­üben, wie stark die­ser ist, kön­nen wir nicht ein­schät­zen.  Doch die brei­te, offe­ne Kri­tik inner­halb der links­ju­gend [’solid] zeigt: Es gibt eine Oppo­si­ti­on zu die­sen Posi­tio­nen. Das begrü­ßen wir aus­drück­lich.

Wir unter­stüt­zen alle Kräf­te in der links­ju­gend [’solid], die für einen sozia­lis­ti­schen, anti­im­pe­ria­lis­ti­schen und klas­sen­kämp­fe­ri­schen Kurs kämp­fen – gegen jede Form von Unter­drü­ckung. Unser Ziel bleibt eine gerech­te Welt, in der inter­na­tio­na­le Soli­da­ri­tät nicht unter Ver­dacht steht, son­dern Grund­la­ge gemein­sa­men Han­delns ist.

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