Als der Sozialismus zum Greifen nah war…
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Heute vor 50 Jahren brachte die Nelkenrevolution das Salazar/Caetano-Regime zu Fall. In unseren Schulen und Unis lernen wir wenig über das, was vor 50 Jahren in Portugal geschah, dabei stellte die Revolution eine Chance für eine erfolgreiche sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft dar. Die Nelkenrevolution stellt jedoch auch vieles in Frage, was uns sonst so im Unterricht beigebracht wird, wie etwa, dass die NATO die Menschenrechte verteidigt. Umso wichtiger, dass wir uns mit der Nelkenrevolution beschäftigen. Im folgenden Text wollen wir eine kurze Darstellung der Revolution geben und was aus unserer Sicht die wichtigsten Lehren sind.
Portugal vor der Revolution
Salazar und ab 1968 sein Nachfolger Caetano regierten über Portugal seit 1932 und unterdrückten jegliche Opposition mit grenzenloser Grausamkeit. Zuerst erhielten sie Unterstützung von den Nazis, die SS- und Gestapo-Ausbilder stellten, um beim Aufbau der Geheimpolizei PIDE und von Konzentrationslagern zu helfen. Ab 1949 wurde Portugal zum NATO-Mitglied. Die Führungen der westlichen Alliierten schauten dabei gerne über die zahlreichen Verbrechen des Regimes hinweg, solange sie einen Verbündeten im Kampf gegen den Ostblock hatten. Und diese Verbrechen waren schwer zu übersehen. Immer wieder verschwanden Arbeiter*innen und Jugendliche, die Streiks organisierten oder Kundgebung gegen das Regime. Zeitgleich wurde die Bevölkerung gezielt in Armut und Rückständigkeit gehalten. Die Grundschule dauerte nur vier Jahre, was zur Folge hatte, dass über ein Drittel der Bevölkerung Analphabeten waren.
Das Regime kommt ins taumeln
In den 1970ern kam das Regime zunehmend unter Druck. In den portugiesischen Kolonien gewannen nationale Befreiungsbewegungen immer mehr an Zulauf und verstrickten die Besatzungsmacht in einem zunehmend kostspieligen Krieg. Gegen Ende der Diktatur verschlang das Militärbudget über die Hälfte des gesamten jährlichen Haushalts. Zeitgleich entwickelte sich in Portugal selbst eine immer stärker werdende Opposition, die vor allem von der portugiesischen kommunistischen Partei angeführt wurde, welche zu der Zeit stark vom Stalinismus beeinflusst war. Es kam immer häufiger zu illegalen Streiks, die sich rasch ausbreiteten. An den Universitäten organisierten sich Student*innen und führten Demonstrationen durch, die jedoch brutal unterdrückt wurden. Aber auch in den unteren Rängen des Militärs wuchs die Unzufriedenheit über aussichtslosen Krieg und die sich immer weiter verschlechternden Lebensverhältnisse. Vor allem junge Offiziere wurden dabei in den Kolonien von den marxistisch geprägten Ideen der nationalen Befreiungsbewegungen beeinflusst.
Das Kapital und die führenden Schichten des Militärs sahen diese Entwicklung zunehmend mit Unbehagen. In ihren Augen wuchs die Gefahr einer Revolution von unten, die außer Kontrolle geraten könnte und sie allesamt von der Macht entfernen könnte, eine nicht ganz unbegründete Angst.
MFA
1973 kam es dann zur Gründung der Movimento das Forças Armadas (MFA — zu deutsch Bewegung der Streitkräfte). Eine sehr heterogene Vereinigung von Offizieren, die anfingen, einen Putsch gegen das alte Regime zu planen. Aufgrund ihrer Zusammensetzung verfügte die MFA über kein einheitliches und weitgehendes Aktionsprogramm für die Lage nach der Revolution. Stattdessen suchte die MFA Unterstützung in den höheren Rängen des Militärs und ließ sich auf weitgehende Kompromisse in Bezug auf ihre Forderungen ein.
Das Zeichen zum Aufstand
Am 25. April gab schließlich das verbotene Rebellenlied “Grândola, Vila Morena” das Zeichen zum Aufstand. Die zentralen Gebäude und Kasernen wurden durch MFA Truppen besetzt und das Regime fiel an einem Tag in sich zusammen. Nur Caetano verschanzte sich in der Kaserne der Polizeistreitkräfte. Er wurde später unter Schutz der MFA hinausgeleitet, vorher machte er aber noch zur Bedingung, dass der General Spinola die Macht übernehmen sollte, damit “die Macht nicht dem Pöbel zufällt”. Die MFA ließ sich auf den Handel ein.
Revolution und Konterrevolution
Auf den 25. April 1974 folgte ein Jahr voller Revolution und Konterrevolution. Spinola, auch bekannt als der „General mit dem Monokel“, organisierte zwei Putschversuche in einem verzweifelten Versuch, wieder Herr der Lage zu werden und die Massen davon abzuhalten, die kapitalistische Ordnung in Gefahr zu bringen. Die Massen von Arbeiter*innen, Soldaten und Bauern wehrten die Putschversuche erfolgreich ab und orientierten sich zunehmend an sozialistischen Ideen. Die MFA sprach im Frühling 1975 offiziell davon, den Sozialismus in Portugal aufzubauen. In zahlreichen Betrieben organisierten Arbeiter*innen Arbeiter*innenkommissionen, die die Leitung der Betriebe übernahmen. Es gab eine Reihe von großen Verstaatlichungswellen, bei denen Großbetriebe enteignet wurden. Auf dem Land organisierten sich Landarbeiter*innen und verteilten das Land der Großgrundbesitzer unter sich auf.
PCP und PSP: Bremsen der Revolution
Doch während die Massen immer weiter voranschritten und weite Teile des Militärs sich mitreißen ließen bremste die PCP (kommunistische Partei Portugals) und die PSP (Sozialistische Partei Portugals) die Revolution bei jeder Gelegenheit. Die PCP erklärte die Selbstorganisierung von Arbeiter*innen und Bäuer*innen in Räten zu “Abenteurertum, die objektiv der Konterrevolution dienen”. Ihrer Meinung nach müsse daher eine stabile kapitalistische Demokratie errichtet werden, bevor der Sozialismus erreicht werden könne. Damit knüpfte die PCP-Führung direkt an die sogenannte ”Etappentheorie” an. Objektiv gab es jedoch keinen Teil des Kapitals oder Bürgertums, dass ein Interesse an den unklaren Eigentumsverhältnissen hatte und sich selbst enteignen würde. Das Bremsen der PCP führte vielmehr dazu, dass die herrschende Klasse im Laufe des Jahres 1975 die Macht wieder an sich reißen konnte und viele Reformen und Errungenschaften der Revolution zurückdrängte.
Doch auch die PSP verriet die Revolution bei jeder Gelegenheit und kämpfte für den Erhalt des Kapitalismus in der Illusion dann Reformen im Interesse der Arbeiter*innenklasse zu erreichen. Dabei ging sie jedoch noch weiter als die PCP und hielt engen Kontakt zu den Regierungen des westlichen Imperialismus, insbesondere der BRD und den USA.
Die PCP und die PSP organisierten jedoch große Teile der Arbeiter*innenklasse. Was fehlte war eine revolutionäre Kraft, die in der Lage war, die Massen dazu zu bringen mit ihrer reformistischen Führungen zu brechen und die entscheidenden Schritte zu gehen, um den Kapitalismus endgültig zu überwinden. Ähnlich wie die Bolschewiki erst mit den Menschewiki um eine Mehrheit in der Arbeiter*innenklasse kämpfen mussten. Die Bedingungen dafür wären gegeben. Eine solche revolutionäre Partei, hätte dafür gekämpft die ökonomische und politische Entscheidungsgewalt den zahlreichen Räten in den Betrieben und auf dem Land zu übergeben, statt sich an Regierungen mit bürgerlichen und offen konterrevolutionären Parteien zu beteiligen, wie es die PCP und die PSP taten.
Lehren ziehen
Dass vor 50 Jahren in Portugal die Chance auf eine erfolgreiche Revolution vertan wurde, obwohl die Bedingungen so günstig waren, sollte uns Anlass bieten, die Geschichte genau zu studieren und die wichtigsten Lehren zu ziehen. Eine davon ist definitiv, dass der Aufbau von starken sozialistischen Kräften mit tiefen Wurzeln innerhalb der Arbeiter*innenklasse, die ein konsequentes revolutionäres Programm vertreten unabdingbar ist. Hierfür wollen wir in Deutschland mit Jugend für Sozialismus eine Beitrag leisten, wenn du also auch für eine sozialistische Zukunft kämpfen willst, organisier dich bei uns!