Stellungnahme des Bundesvorstandes
In den letzten Tagen mussten wir alle schreckliche Bilder aus Israel und Palästina sehen und die Meldungen über Tote und Verletzte steigen auf beiden Seiten immer weiter. Die Verbrechen, die die Hamas gegen israelische Zivilist*innen verübte und die Bilder der willkürlichen Angriffe des israelischen Staates auf den Gazastreifen schockieren zu Recht viele. Die israelische Regierung spricht nun davon, Gaza in eine Trümmerinsel zu verwandeln. Stündlich werden Luftangriffe geflogen und inzwischen wurde die Strom‑, Wasser- und Lebensmittelversorgung abgebrochen. Eine Bodenoffensive kann jederzeit beginnen.
Die Ereignisse der letzten Woche sind Folge von Jahrzehnten der brutalen Unterdrückung der Palästinenser*innen — insbesondere in Gaza, dem größten Freiluftgefängnis der Welt. Damit werden die Gräueltaten der Hamas nicht gerechtfertigt oder relativiert, aber der Kontext erklärt. Denn dass die Situation sich in der Region so weit zu spitzen konnte, hat seinen Ursprung in der Jahrzehnte andauernden Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung. Solange es Unterdrückung gibt, wird es Widerstand geben, und desto brutaler die Unterdrückung, umso brutaler die Gegenreaktionen.
Die Geschehnisse machen ebenso deutlich, dass eine Lösung des Konflikts innerhalb des Kapitalismus nicht möglich ist und, dass aus der Unterdrückung der Palästinenser*innen eine scheinbar endlose Spirale der Gewalt folgt.
Debatte in Deutschland
Insbesondere die Debatte in Deutschland ist von der toxischen Propaganda des israelischen Staates geprägt, von Zynismus und doppelten Standards und ignoriert vollkommen die Realität der israelischen Besatzungspolitik. Die zu verurteilenden Aktionen der Hamas-Kämpfer unterscheiden sich im Kern nicht vom staatlich-finanzierten Terrorismus der IDF, des Mossad und der Siedler*innen-Extremist*innen — nur dass diese mit modernsten Hightech-Waffen ausgerüstet sind und präzise innerhalb von wenigen Sekunden Wohnblöcke dem Erdboden gleich machen und hunderte von Leben auslöschen. Dass die israelischen Vergeltungsschläge inzwischen mehr als tausend palästinensische Zivilist*innen — darunter hunderte Kinder — ausgelöscht und viele weitere verletzt haben, findet im Großteil der deutschen Medien und Erklärungen des politischen Establishment wenig Erwähnung und wird nicht zum Anlass genommen, die Vergeltungsschläge zu kritisieren. Deutsche Politiker*innen erklären prophylaktisch ihre Solidarität mit dem Staat Israel, egal was dieser in Gaza anrichten wird. Es wird vom israelischen Recht auf Selbstverteidigung gesprochen, aber den Palästinenser*innen wird jedes Recht auf Selbstverteidigung gegen Unterdrückung und Besatzung abgesprochen. Alle erklären ihre Solidarität mit dem israelischen Staat, aber nicht mit Palästina im tödlichsten Jahr für Palästinenser*innen.
Die vom Staat Israel in den 90ern als Gegengewicht zu den linken Befreiungsbewegungen finanzierte Hamas ist unfähig die Freiheit Palästinas zu erkämpfen. Der erfolgreiche Angriff der Hamas gegen Israel — die größte Demütigung Israels seit 1973 – kann für die Hamas nur ein Sieg von kurzer Dauer und wird von der hochgerüsteten IDF schnell beantwortet. Schließlich ist es der Kampf einer verhältnismäßig kleinen Gruppe gegen eine Supermacht.
Der Angriff ist ein Ergebnis der sich in diesem Jahr verschärfenden Unterdrückung Palästinas und der Angst der Hamas die Kontrolle zu verlieren, weil sich zahlreiche palästinensische Jugendliche mittlerweile radikaleren islamistischen Organisationen und Milizen anschließen — hauptsächlich aus purer Verzweiflung, um wenigstens Vergeltung zu üben, wenn eine Befreiung nicht möglich ist. Die Hamas kann sich jetzt als die Kraft inszenieren, die “Gerechtigkeit” geschaffen hat. Doch die blutigen Methoden der Hamas gegen israelische Zivilist*innen schaffen nur grausames Leid und forcieren die Spaltung zwischen Palästinenser*innen und der israelisch-jüdischen Bevölkerung und stärken somit schlussendlich die israelische Rechte. Zur Freude der rechtsextremen Machthaber in Israel, hat die Demokratie-Bewegung angesichts des aktuellen Krieges gegen Gaza angekündigt, ihre Proteste einzustellen. Die Eskalation des Konflikts wird zu einem Blutbad führen, insbesondere wenn Israel eine Bodenoffensive durchführt, um die israelischen Geiseln in Gaza zu befreien.
Ausweitung des Konflikts
Schon lange warnen Kommentator*innen, dass es auf Grund der Politik der rechtsextremen Regierung — Bau von Siedlungen, Vertreibung von Palästinenser*innen, Unterstützung der Siedler*innengewalt, IDF-Staatsterror, antimuslimischer Rassismus und Großmachtsfantasien — zu einem Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten kommen könnte. Inzwischen folgten auch Angriffe aus dem Libanon und Syrien auf besetzte Gebiete und Siedlungen. Ob sich dadurch ein Mehrfrontenkrieg ergibt, ist noch offen. Klar ist jedoch, dass die Region einem Pulverfass gleicht und der Konflikt sich schnell ausbreiten kann, mit tiefgreifenden Folgen für die politische Weltlage.
Sozialistische Lösung für den Nahen Osten
Um den Krieg, den Staatsterror, die Angst, das Leid und die Spirale der Gewalt zu beenden, ist ein sozialistisches Programm nötig. Nur eine Massenbewegung der Arbeiter*innenklasse und Jugend in Israel und Palästina gegen Krieg und Besatzung kann die jetzt stattfindende Gewalt beenden. Forderungen müssten sein: das unmittelbare Ende der Kampfhandlungen, den Verzicht auf Vergeltungsschläge, die Freiheit für alle Gefangenen auf beiden Seiten, das Ende des israelischen Staatsterrorismus, die Freiheit für die besetzten Gebiete, das Ende der Siedlungen und Vertreibung der Palästinenser*innen, eine sozialistische Intifada in Gaza und dem Westjordanland nach dem Vorbild der ersten Intifada und den Aufbau unabhängiger Arbeiter*innenparteien in Palästina und Israel und Verbindungen zwischen ihnen. Nur ein sozialistisches selbstbestimmtes Israel neben einem sozialistischen selbstbestimmten Palästina kann Sicherheit und Gleichheit für alle Menschen garantieren