Folgende Rezension des Films “ANTIFA ‑Schulter an Schulter, wo der Staat versagte” verfassten mehrere Mitglieder aus Berlin
Am 02. September diesen Jahres erschien unter der Regie von Steffen Maurer und Marco Heinig der Dokumentarfilm „ANTIFA – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte“. Dieser thematisiert die Entwicklung (autonomen) antifaschistischer Bewegungen von den 90ern bis heute und zieht dabei immer wieder Bezüge zu Fällen, bei denen der Staat nicht gegen rechte Gewalt vorging.
Der Film beginnt mit einer Schilderung der Ausschreitungen 1992 in Rostock am Sonnenblumenhaus, wobei Rechtsextreme fremdenfeindlich und rassistisch motiviert die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber*innen und ein Wohnheim für vietnamesische ehemalige Vertragsarbeiter*innen angriffen. Es wird kritisiert, wie sich die Polizei damals verhielt, denn als das Pogrom seinen Höhepunkt erreichte, zog sich diese zurück.
Der Film unterstreicht die Erzählungen mit Bild‑, Ton- und Filmmaterial und bietet somit authentische Einblicke. Zentraler Inhalt der Dokumentation sind die Interviews mit fünf antifaschistischen Aktivist*innen, welche im Verlauf des Filmes ausführliche Zeitzeugenberichte liefern, so auch ganz am Anfang zum Pogrom in Rostock. Fortführend berichten sie von Angriffen durch Neonazis auf Antifaschist*innen und Gedenken an ihre Freunde, die teilweise von Neonazis in den 90ern und 00ern getötet wurden. Anschließend daran wird sich kritisch mit Gewalttaten durch Antifaschist*innen an Neonazis auseinandergesetzt und die Interviewten schildern Taten, die sie teilweise selbst verübten und von denen sie ein Teil waren. Diese Gewalt wird durch sie selbst kritisch eingeordnet und sie stellen infrage, wie sinnhaft und menschlich ihre Taten waren, während sie rückblickend klare Grenzen zur Gewalt ziehen. Denn ihnen fällt auf, dass die Gewalttaten oftmals nicht den richtigen Weg darstellten und in einigen Fällen viel zu viel waren. Sie konnten sich nicht immer sicher sein, welche Verletzungen die betroffenen Neonazis nach dem Angriff davon trugen und auch ihre eigene mentale Gesundheit litt unter den Taten, die die Grenzen der bloßen Selbstverteidigung überschritten. Denn oftmals hieß es einfach „Augen zu und durch“ und „einfach drauf hauen“. Rückblickend beurteilen die Akteur*innen diese Handlungsweise als sehr negativ.
Die Interviewten berichten jedoch nicht nur von Taten der körperlichen Gewalt, sondern auch Erzählungen, wie Neonazis ausfindig gemacht wurden, Erzählungen von antifaschistischen Treffen und Demos etc. Des Weiteren thematisiert die Dokumentation, wie wenig der Staat während der so genannten „Baseballschlägerjahre” gegen rechte Gewalt unternahm und welche wichtige Rolle die Antifa deshalb bei der Aufdeckung von Straftaten hatte, die zum Beispiel durch den NSU verübt wurden. Die Antifa hat mit ihren Archiven etc. mehr geleistet, als unter anderem der Verfassungsschutz. Ein besonders faszinierender Aspekt der dargestellten antifaschistischen Arbeit ist das Pressearchiv der Antifa. Hier wurden Informationen aller Art zu Nazis gesammelt. Es habe Zeiten gegeben, an denen das Pressearchiv wöchentlich als Quelle von großen Medien genannt worden wäre. Dieses Pressearchiv hat erheblich dazu beigetragen, den NSU aufzudecken und es wird klar, wie wichtig, abseits von Straßenkämpfen, diese organisatorische Arbeit ist.
Klar ist, der Film ist sehr gut gemacht, ob visuell, musikalisch oder inhaltlich. Themen werden allgemein eindrucksvoll aufgezeigt, die Interviews sind interessant und ermöglichen einen Einblick in antifaschistische Arbeit, der unmittelbar berührt. Eben weil der Film so authentisch ist, ruft er Reaktionen und Emotionen hervor, die mal positiv und mal negativ sind. Einerseits macht es wütend zu sehen, wie die Polizei in Fällen von rechtsextremer Gewalt abwesend war, so z.B. bei dem Pogrom in Rostock.
Der Dokumentarfilm wirkt auch motivierend. Zu sehen, wie Menschen schon in der Vergangenheit gegen Nazis und Rassismus ankämpften, treibt an und es ist beeindruckend, wie Menschen trotz teilweise wenig Kommunikation zwischen Gruppierungen zusammen hielten und gegen rechte Gewalt kämpften. Beim Schauen des Filmes kann man auch nur Respekt empfinden, für das Engagement der Menschen, aber vor allem für den Mut, den sie hatten. So wird eine Anekdote erzählt, in der fünf Antifas nachts Gesang von Naziparolen aus einer Unterführung hörten und sich unmittelbar darauf aufmachten, um dagegen anzukämpfen. All das, ohne davor zu wissen, wie viele Nazis sie erwarten würden.
Andererseits sprechen die Interviewten von einer „relativ dünnen Erfolgsgeschichte“. Sie hätten den Rechtsruck vielleicht verlangsamt, jedoch nicht stoppen können. Zu hören, wie antifaschistische Aktivisten selbst sagen, sie seien sich nicht sicher, wie viel Erfolg sie hatten ist ernüchternd. Dabei ist genau das aktueller denn je: die AfD ist im Aufwind, Neonazis mobilisieren gegen CSDs und es werden wieder Brandanschläge verübt. Berechtigterweise macht das Angst, wie ein Aktivist zum Ende des Filmes meint. Rechtes Gedankengut, das in der Mitte der Gesellschaft ankommt, und rechtsextreme Parteien, die von Feindbildern profitieren, gilt es daher, entschlossen zu bekämpfen.
Jugend für Sozialismus mobilisiert deswegen gegen Naziaufmärsche und jeden Versuch seitens rechter und rassistischer Gruppen, sich auszubreiten. Dabei verbinden wir den antifaschistischen Kampf mit dem Kampf für unmittelbare soziale Verbesserungen und gegen die Armut, die der Kapitalismus täglich hervorruft. Das ist wichtig, denn wie die interviewten Aktivist*innen selber schildern, reicht eine physische Konfrontation der Nazis alleine nicht aus. Wir müssen auch gegen den Nährboden vorgehen, auf dem rechte Gedanken gedeihen. Den Rassismus und andere Diskriminierungsformen sollen uns als Arbeiter*innenklasse in erster Linie spalten und die wahren Trennungslinien zwischen unten und oben verwischen. Doch kein Geflüchteter, schließt Krankenhäuser und keine Geflüchtete erhöht die Miete. Die unzähligen Probleme mit denen wir als Arbeiter*innen und Jugendliche täglich konfrontiert werden, sind Symptome dieses verfaulten Kapitalismus.
Alle Informationen rund um den Film sind hier zu finden: https://www.antifa-film.de/