Sachsen: Kürzungen beschlossen

In Sach­sen wur­de am 26.6. der Dop­pel­haus­halt für 2025 und 2026 ver­ab­schie­det. Die Unter­fi­nan­zie­rung der Kom­mu­nen, des Sozia­len, der Kul­tur und des Kli­ma­schut­zes wer­den dadurch wei­ter vor­an­ge­trie­ben. Pikant: Die Frak­ti­on der Lin­ken hat sich dar­an betei­ligt – bis auf einen Abge­ord­ne­ten.

Die CDU/SPD-Min­der­heits­re­gie­rung hat in den letz­ten Mona­ten erst mit dem BSW und dann mit Grü­nen und Lin­ken ver­han­delt. Das war nötig, weil bei der Land­tags­wahl im letz­ten Jahr die eta­blier­ten Par­tei­en kei­ne Mehr­heit bekom­men haben. Das BSW kam zu kei­ner Eini­gung mit der Regie­rung, Grü­ne und Lin­ke schon. Die Fol­ge ist, dass ein Haus­halt ver­ab­schie­det wur­de, der den letz­ten kaum über­steigt – und das, obwohl die Prei­se gestie­gen sind und ver­mut­lich wei­ter stei­gen.

Jetzt auf Bud­get­er­hö­hun­gen zu ver­zich­ten, bedeu­tet also, dass die Minis­te­ri­en kaum mehr Geld zur Ver­fü­gung haben, um die gestie­ge­nen Kos­ten zu decken.

Anstatt eine lan­des­wei­te Kam­pa­gne gegen die Kür­zungs­plä­ne zu füh­ren, hat sich die Füh­rung der säch­si­schen Links­par­tei aller­dings ent­schie­den, dem Haus­halt zuzu­stim­men – unter der Bedin­gung, dass das Bud­get gegen­über dem ursprüng­li­chen Vor­schlag, der etwas unter dem Bud­get vom letz­ten Jahr lag, um 0,04% erhöht wird. Und das, obwohl die erwar­te­te Infla­ti­on im Bereich des Staats­kon­sums 1,5% in die­sem Jahr und 2,5% im nächs­ten Jahr beträgt, also immer noch weit über die­ser klei­nen Erhö­hung liegt.

Der Landessprecher:innenrat der Links­ju­gend [´solid] Sach­sen hat in einem State­ment die­sen Deal gerecht­fer­tigt. Die Genoss:innen füh­ren drei Grün­de für die Zustim­mung an.

Die Gefahr von rechts

Ers­tens nen­nen füh­ren sie die Gefahr an, dass „die Alter­na­ti­ve“ zur Zustim­mung ein Schei­tern der Ver­hand­lun­gen und damit „Neu­wah­len mit der AfD als stärks­te Kraft und Regie­rungs­aus­sicht“ in Aus­sicht sei­en. Der Haus­halt sei „kein Gewinn auf gan­zer Linie“, aber zumin­dest wür­de er Zeit ver­schaf­fen, um vor den nächs­ten Land­tags­wah­len gegen die AfD zu kämp­fen.

Die Autor:innen stel­len eine Ket­te von Zwangs­läu­fig­kei­ten auf, die gleich an meh­re­ren Stel­len alter­na­ti­ve Ver­läu­fe unter den Tisch kehrt. Erst ein­mal unter­schlägt die Behaup­tung, es gäbe „die“, also nur eine Alter­na­ti­ve zur Zustim­mung, die Tat­sa­che, dass eine Ableh­nung oder Ent­hal­tung der Links­frak­ti­on ver­schie­de­ne Sze­na­ri­en mit sich gezo­gen und nicht auto­ma­tisch zu Neu­wah­len geführt hät­te. Unter ande­rem hät­te es das Sze­na­rio gege­ben, dass sich die sechs Mit­glie­der der Links­frak­ti­on ent­hal­ten oder gegen den Haus­halt gestimmt hät­ten, dass aber der Haus­halt trotz­dem beschlos­sen wor­den wäre, weil frak­ti­ons­lo­se, AfD- oder BSW-Abge­ord­ne­te für den Haus­halt gestimmt hät­ten, sich ent­hal­ten hät­ten oder dem Land­tag fern geblie­ben wären. Letz­te­res taten tat­säch­lich sechs Abge­ord­ne­te, wes­halb der Haus­halt mit zehn Ja-Stim­men mehr als Nein­stim­men ange­nom­men wur­de.

Ein wei­te­res Sze­na­rio ist, dass nach einer Ableh­nung durch die Links­frak­ti­on zwar die­ser Ent­wurf geschei­tert wäre, dass aber nach der Som­mer­pau­se doch Tei­le oder die gesam­ten Frak­tio­nen des BSW oder der AfD mit Tei­len oder den gesam­ten Frak­tio­nen von SPD, Grü­nen und CDU einen Haus­halt ver­ab­schie­det hät­ten. Eine CDU-SPD-BSW-Alli­anz wäre gar nicht unwahr­schein­lich gewe­sen, weil zwei Drit­tel der Abge­ord­ne­ten nötig sind, um den Land­tag auf­zu­lö­sen und es gut mög­lich gewe­sen wäre, dass sich kei­ne sol­che Auf­lö­sungs­ko­ali­ti­on gefun­den hät­te. Das BSW hat in ande­ren Bun­des­län­dern und auch in sei­nem Abstim­mungs­ver­hal­ten zur Minis­ter­prä­si­den­ten­wahl bereits gezeigt, dass es grund­sätz­lich zu Zuge­ständ­nis­sen bereit ist.

Und selbst wenn es zu Neu­wah­len gekom­men wäre, wäre es kei­nes­wegs eine aus­ge­mach­te Sache, dass die AfD „die stärks­te Kraft mit Regie­rungs­aus­sicht“ wäre. Die neu­es­te Wahl­pro­gno­se von Anfang Juni geht davon aus, dass die AfD mit 35% 3,1 Pro­zent­punk­te vor der CDU liegt und damit tat­säch­lich stärks­te Kraft wäre. Aller­dings stammt die Pro­gno­se aus einer Online­um­fra­ge, in der die AfD meist etwas höhe­re Wer­te hat als bei Wah­len.

Die Behaup­tung, es sei abseh­bar, dass die­ser Abstand von 3,1% nach einem Schei­tern des Haus­halts, der Som­mer­pau­se, einer Auf­lö­sung des Land­tags und meh­re­ren Mona­ten Wahl­kampf noch bestün­de, ist rei­ne Spe­ku­la­ti­on – ins­be­son­de­re in einer Zeit, in der sich alle paar Mona­te die Welt­la­ge ändert. Glei­ches gilt für die Ver­mu­tung, die stärks­te Kraft müs­se auch die Regie­rung bil­den. In Thü­rin­gen ist die AfD die stärks­te Kraft, und trotz­dem ist sie nicht in der Regie­rung.

Vor allem aber spricht aus dem State­ment eine pes­si­mis­ti­sche Grund­hal­tung. Denn in der neu­es­ten Umfra­ge ist es gar nicht die AfD, die die größ­ten Zuwäch­se erlebt hat, son­dern die Links­par­tei! Jetzt schon liegt sie um 4,5 Pro­zent­punk­te über ihrem Land­tags­wahl­er­geb­nis – und wer weiß, wel­che Ent­wick­lun­gen sie durch­ma­chen könn­te, wenn sie ein hal­bes Jahr lang mit den Gewerk­schaf­ten, der Zivil­ge­sell­schaft und ihren vie­len neu­en Mit­glie­dern eine ener­gi­sche Kam­pa­gne gegen die Haus­halts­po­li­tik füh­ren wür­de, die das Leben der Men­schen in Sach­sen so sehr ver­schlech­tert?

Eine sol­che Kam­pa­gne hät­te auch das Poten­ti­al, einem Teil der AfD-Wähler:innen zu zei­gen, was es wirk­lich heißt, gegen „die da oben“ zu sein, und dass die AfD in die­sem Kampf kei­ne Hil­fe, son­dern der Geg­ner ist. Man kann die­sen Kampf ver­lie­ren, aber wer ihn gar nicht erst führt und statt­des­sen die Poli­tik, die die AfD stark macht, mit­trägt, der hat schon ver­lo­ren. Von „der Alter­na­ti­ve“ von Neu­wah­len und einem Auf­stieg der AfD zu reden, als ob all die­se Sze­na­ri­en nicht exis­tie­ren wür­den, ist jeden­falls eine Ein­engung der Mög­lich­kei­ten, vor denen wir ste­hen. Ganz zu schwei­gen davon, dass die kapi­ta­lis­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen bei­der Optio­nen nicht alter­na­tiv­los sind.

Die „Zuge­ständ­nis­se“

Das zwei­te Argu­ment, das die Genoss:innen vom LSPR* anfüh­ren, ist dass die Ver­bes­se­run­gen und die Abwen­dun­gen von Ver­schlech­te­run­gen, die die her­aus­ge­han­del­ten 0,04% mit sich bräch­ten, umfas­send genug sei­en, um die ande­ren Kür­zun­gen hin­zu­neh­men.

Fol­gen die­ser Poli­tik sind zum Bei­spiel, dass die Kli­ma­zie­le, die die Ver­fas­sung vor­gibt, laut dem Bund für Umwelt und Natur­schutz nicht erfüllt wer­den.

Dass das Geld für Rad­we­ge um mehr als drei Vier­tel gestri­chen wird.

Dass die Schul­so­zi­al­ar­beit nicht den gestie­ge­nen Bedar­fen ent­spre­chend mehr Geld bekommt.

Dass hun­der­te Erzieher*innen-Stellen gestri­chen wer­den und viel­leicht die Kita­bei­trä­ge teu­rer wer­den.

Dass Kul­tur­ein­rich­tun­gen nicht genug Geld bekom­men.

Und dass Ein­rich­tun­gen, die in den letz­ten Mona­ten ohne Haus­halts­be­schluss geschlos­sen wur­den, wie zum Bei­spiel eine Bera­tungs­stel­le für Ess­stö­run­gen in Leip­zig, nicht wie­der öff­nen.

Jugend Gegen Kürzungen/Jugend für Sozia­lis­mus Dres­den hat in den letz­ten Mona­ten immer wie­der gegen die Unter­fi­nan­zie­rung der Kom­mu­nen demons­triert, die in Dres­den zu umfas­sen­den Kür­zun­gen, zum Bei­spiel von Jugend­clubs, Bera­tungs­stel­len und Kul­tur­ange­bo­ten geführt hat.

Immer wie­der haben wir gefor­dert, dass die Kom­mu­nen um das Geld von Land und Bund kämp­fen sol­len, anstatt die Kür­zun­gen nur nach unten wei­ter­zu­ge­ben.

Und jetzt – nach­dem sich die Kom­mu­nen für letz­te­res ent­schie­den haben – wur­de ein Kür­zungs­haus­halt ver­ab­schie­det, bei dem immer noch viel zu wenig Geld an die Kom­mu­nen ein­ge­rech­net ist. Das Pro­blem ist aber, dass wegen der Rezes­si­on, also dem Rück­gang der Wirt­schafts­leis­tung, die Kom­mu­nen weni­ger Steu­er­ein­nah­men erwar­ten. Wenn Land und Bund die­se Lücke nicht fül­len, dann wird die Lücke zwi­schen Bedarf und Finan­zie­rung noch grö­ßer wer­den.

Dage­gen müs­sen wir Wider­stand leis­ten.

Es braucht ein Umden­ken in den Gewerk­schaf­ten und in der Links­par­tei, sich nicht mit klei­nen Zuge­ständ­nis­sen abspei­sen zu las­sen, son­dern so lan­ge zu kämp­fen, bis jeder die­ser Angrif­fe auf die öffent­li­che Daseins­vor­sor­ge abge­wehrt ist.

Denn es gibt in die­sem Land mehr als genug Geld, um alle Kür­zun­gen abzu­weh­ren und dar­über hin­aus mas­si­ve Inves­ti­tio­nen zu täti­gen. Das Geld wird in die Rüs­tungs­in­dus­trie gepumpt und von Multimillionär:innen und Milliardär:innen ange­häuft.

Sta­bi­li­tät

Der LSPR* der Links­ju­gend führt aller­dings noch ein drit­tes Argu­ment ins Feld: Das Ende der haus­halts­lo­sen Zeit. Klei­ne­re Ver­ei­ne, vor allem im länd­li­chen Raum, hät­ten ihre Arbeits- und Miet­ver­trä­ge nicht ver­län­gern kön­nen, bis end­lich der Haus­halt Klar­heit geschaf­fen hät­te. Im State­ment zitie­ren sie einen Erzie­her, der erzählt, er fän­de kei­nen Job, weil die Trä­ger nicht genug Pla­nungs­si­cher­heit für die Unter­zeich­nung neu­er Ver­trä­ge gehabt hät­ten.

Wir müs­sen sol­che Geschich­ten ernst neh­men. Es ist kei­ne Cha­rak­ter­schwä­che, die die Genoss:innen zur Annah­me der Kür­zungs­po­li­tik treibt, son­dern rea­ler Druck, die Leu­te nicht ohne Haus­halt im Regen ste­hen zu las­sen. Das Pro­blem ist nur, dass Sozialist:innen – die klas­si­scher­wei­se in Kri­sen­zei­ten gefrag­ter sind als in Zei­ten der Sta­bi­li­tät – immer wie­der mit sol­chen Situa­tio­nen zu tun haben.

Immer wie­der kom­men wir an Punk­te, an denen die Herr­schen­den zu zer­strit­ten und die Wider­sprü­che des Kapi­ta­lis­mus zu groß sind, um ein­fach har­mo­nisch wei­ter­ma­chen zu kön­nen. Die Men­schen wün­schen sich aber Sta­bi­li­tät, und sie sind es erst ein­mal gewohnt, nicht selbst über die Din­ge ent­schei­den zu kön­nen, wes­halb sie sich bit­tend an die Poli­tik wen­den, die doch bit­te den alten Zustand wie­der­her­stel­len sol­le.

Das sind aber genau die Punk­te, an dem Sozialist:innen Kämp­fe initi­ie­ren müs­sen, anstatt zu ver­su­chen, Ver­ant­wor­tung für die Pro­ble­me der Herr­schen­den zu über­neh­men. Denn Sta­bi­li­tät im Kapi­ta­lis­mus ist eine Illu­si­on, und wer erschöpft von der Dau­er­kri­se ist und sich eine plan­ba­re Zukunft wünscht, der:die muss dar­um kämp­fen. Jeder ande­re Weg führt zu einem unso­li­da­ri­schen Gezan­ke dar­um, wer denn die dra­ma­tischs­ten Kür­zun­gen ver­die­nen wür­de, obwohl es doch genü­gend Res­sour­cen gäbe, um nicht nur alle Kür­zun­gen zu ver­hin­dern, son­dern auch mas­si­ve Inves­ti­tio­nen in die öffent­li­che Hand zu täti­gen.

Hoff­nung

Doch all das ist nur die eine Sei­te der Geschich­te.
Ein Abge­ord­ne­ter der Lin­ken, Nam Duy Ngy­en, hat gegen den Haus­halt gestimmt, mit der Begrün­dung, er sei als Ver­tre­ter der vie­len Arbeiter:innen gewählt wor­den, mit denen er im Wahl­kampf an den Haus­tü­ren und bei Ver­an­stal­tun­gen gespro­chen hät­te. Und ihnen gegen­über sei es nicht ver­ant­wort­lich, Kür­zun­gen mit­zu­tra­gen.


Das ist zu bekräf­ti­gen. Der Mit­glie­der­zu­wachs und die Erneue­rungs­stim­mung bie­ten Chan­cen, die Lin­ke zu ver­än­dern und zu einer Kampf­or­ga­ni­sa­ti­on umzu­bau­en. Neben der kla­re­ren Hal­tung des Stu­die­ren­den­ver­bands SDS, der hin­ter Nam steht, las­sen State­ments ein­zel­ner Links­ju­gend-Orts­grup­pen dar­auf hof­fen, dass auch in der Links­ju­gend eine sol­che Ori­en­tie­rung mög­lich ist und nicht nur eine Wei­ter­füh­rung des in letz­ter Kon­se­quenz pro­ka­pi­ta­lis­ti­schen Kur­ses des Landessprecher:innenrats.

In Dres­den haben wir soli­da­risch mit Mit­glie­dern der Lin­ken, des SDS und der Links­ju­gend [´solid] gegen die kom­mu­na­len Kür­zun­gen zusam­men­ge­ar­bei­tet, auch wenn die Frak­ti­on am Ende die Kür­zun­gen mit­ge­tra­gen hat. Die Par­tei hat zudem ein Bür­ger­be­geh­ren gegen die ÖPNV-Kür­zun­gen gestar­tet und zusam­men mit den Beschäf­tig­ten der Ver­kehrs­be­trie­be inner­halb weni­ger Mona­te über 40.000 Unter­schrif­ten gesam­melt. Eine sol­che Kam­pa­gnen­aus­rich­tung zeigt die Rich­tung auf, in die die Lin­ke gehen muss, wenn sie der AfD das Was­ser abgra­ben und für die Men­schen da sein will.

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