Gegen die Diffamierungsversuche von Springer, Spiegel und co.!
Am letzten Wochenende hat der Bundeskongress der Linksjugend [´solid] getagt.
Dort wurden unter anderem ein neuer Bundessprecher*innenrat gewählt und ein Antrag zu einer eindeutigeren Positionierung zum Nahostkonflikt beschlossen. Jugend für Sozialismus-Mitglieder waren das Wochenende über als Gast anwesend und haben die Debatten verfolgt.
Wenige Tage später sind in der bürgerlichen Presse mehrere Artikel mit Antisemitismusvorwürfen erschienen.
Die Begründung: Unter anderem, dass der Antrag den „kolonialen und rassistischen Charakter des israelischen Staatsprojekts (…) von seinen Anfängen bis heute“ benennt.
Eine solche Einordnung der Vertreibung, Besatzung und Gewalt, die die israelische Regierung seit der Staatsgründung systematisch betrieben hat, ist in den Augen von Springer und Co. gleichzusetzen mit Antisemitismus.
Den konkreten Beweis dafür bleiben uns die „Journalist*innen“ dabei schuldig. Es reicht, „die Existenz“ eines Staates zu „delegitimieren“ (zitiert nach welt.de), um darauf zu schließen, dass das Feindbild die Bewohner*innen dieses Staates seien und nicht der Staat selbst. Dieser absurde Vorwurf kommt ganz ohne Analyse der Argumentation aus; die Gleichsetzung von Israel und Jüd*innen wird einfach behauptet.
Die Parteivorsitzenden reagierten, indem sie genau diese Logik wiederholten: Kritik an der israelischen Regierung dürfe niemals „die Existenz Israels delegitimieren.“
Sie nennen den Begriff „Antisemitismus“ zwar nicht direkt, aber benutzen dieselben Argumente und Begriffe, die proisraelische Akteur*innen benutzen, um „israelbezogenen Antisemitismus“ auszumachen („Delegitimierung“ des israelischen Staates ist in deren Begriffen eins von drei Merkmalen von israelbezogenem Antisemitismus). Zudem sagen sie im selben Satz, man dürfe nicht „den Schutz jüdischen Lebens infrage stellen“ – was nahelegt, dass das irgendwer getan hätte.
Das Problem hierbei ist nur: Das ist nicht der Fall!
Kritik an dem Vorgehen der israelischen Regierung und die Forderung, den bestehenden Staat aufzulösen und mit einem demokratischen, sozialisitischen Staat zu ersetzen, ist etwas ganz anderes als die Infragestellung des Schutzes seiner Bewohner*innen oder die Feindschaft ihnen gegenüber.
Bürgerliche Staaten sind keine „Schutzräume“, die seine Bewohner*innen gegen die Gefahren der Welt absichert; sie sind ein elementarer Bestandteil der Gefahren, denen die Menschen ausgesetzt sind. Echten Schutz jüdischen Lebens wird es im kapitalistischen Israel, einem Land mit massiver sozialer Ungleichheit und welches als Vorposten für den westlichen Imperialismus in der Region fungiert nicht geben.
In der Frage, wie die Sicherheit und Gleichberechtigung der Menschen im nahen Osten stattdessen organisiert werden können, gibt es verschiedene Positionen. Viele palästinasolidarische Sozialist*innen gehen davon aus, dass ein binationaler Staat mit Minderheitsrechten die einzige Lösung ist.
Wir sind da skeptisch und erkennen an, dass das gegenseitige Vertrauen, das für einen solchen binationalen Staat nötig wäre, aktuell nicht vorhanden ist, weshalb wir den Kampf für ein unabhängiges, sozialistisches Palästina neben einem sozialistischen Israel vorschlagen, die auf Augenhöhe und unter gegenseitiger Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts1 und voller Minderheitenrechte über die Bedingungen einer möglichen Föderation verhandeln können.
Aber diese Position ist eben Teil einer Debatte unter palästinasolidarischen Sozialist*innen.
Antizionismus ist eben kein Antisemitismus!
Und trotzdem machen Ines Schwerdtner und Jan van Aken, die seit Monaten zwischen Palästinasolidarität und einem Einknicken vor den Medien hin- und herschwanken, bei der Hexenjagd mit. Ihre Andeutung, das kapitalistische Israel habe ein Existenzrecht, und jede Infragestellung dieses Existenzrechts wäre antisemitisch, liefe letztendlich auf ein Analyseverbot hinaus, wenn sie es wirklich ernst meinen würden.
Wenn diese Deutung in der Partei vorherrschend würde, dann würde es praktisch unmöglich, darauf hinzuweisen, dass jahrzehntelange Vertreibung, Besatzung und Unterdrückung nun einmal die Grundlage des kapitalistischen Israels sind. Sozialistische Lösungen des Konflikts, die notwendigerweise auch einen Bruch mit den bestehenden Staaten bedeuten, würden dabei unaussprechbar.
Indem die beiden der Springerpresse hinterherplappern, fallen sie der linksjugend [’solid] in den Rücken und verlassen damit den Rahmen der solidarischen Debatte, um den bürgerlichen Medien zu zeigen, wie sehr sie die deutsche Staatsraison bei aller Kritik an der israelischen Regierung anerkennen. Das ist ein Angriff auf alle palästinasolidarischen Stimmen in der Partei!
Deshalb ist es für uns umso wichtiger zu betonen, dass wir solidarisch mit der linksjugend [‘solid] sind. Antizionismus ist kein Antisemitismus, und wenn die Parteispitze ihre Palästinasolidarität ernst meint, dann soll sie sich auch solidarisch mit den Betroffenen dieser Hetzkampagne zeigen, anstatt die Fahne im Wind zu spielen!
1 Wohlgemerkt des Selbstbestimmungsrechts der Nationen, das etwas ganz anderes ist als das nebulöse „Existenzrecht“ eines Staates.


